Das Staatliche Aufbaugymnasium (ABG) mit Heim, Schwäbisch Gmünd,
Franziskanergasse 3,
war eine Internatsschule des
Landes Baden-Württemberg für Mädchen und Jungen beliebiger Religion,
die mindestens 7 der 8 Volksschuljahre erfolgreich abgeschlossen und die
Aufnahmeprüfung zum ABG bestanden hatten.
Ziel des ABGs war es vor allem, begabten Schülern aus ländlichen
und schulisch unterversorgten
Gegenden den Weg zur damaligen Lehrerbildungsanstalt und späteren
Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd zu ermöglichen.
Hierzu förderte das Land Baden-Württemberg bedürftige und begabte
ABG-Schüler mit Stipendien.
Der Schultyp des ABGs war während unseres Kurses zeitweise ein
naturwissenschaftliches Gymnasium mit musischem Zug, zeitweise ein
neusprachliches Gymnasium mit musischem Zug.
Ein Kurszeitraum dauerte (ab unserem ABG-Kurs) 6 Schuljahre und schloß
mit dem Zentralabitur ab.
Die vorliegenden ABG-Seiten zeigen jeweils zwei Wappen:
- ganz oben links ein Einhorn als Wappentier von Schwäbisch Gmünd
(aus der Homepage der
Friedensschule Schwäbisch Gmünd,
mit freundlicher Erlaubnis des Webmasters durch EMail vom 10. Sept. 2001;
Farben von mir nachträglich leicht verändert;
die Stadtverwaltung Schwäbisch Gmünd sah sich nicht in der
Lage, mir ein Einhorn-Wappen zu überlassen);
- ganz oben rechts eine Eule als Wappen des ABGs.
Diese "moderne" Eule ganz oben rechts war erst ab 1961 in Gebrauch (z.B. auf den
Urkunden von Belobungen oder Preisen). Zuvor wurde folgende Eule auf
derartigen Dokumenten verwendet:
Für den Kurs 1955 bis 1961 hatten sich zur Aufnahmeprüfung
(lt. Hermine) über 350 Bewerber(innen) angemeldet, von welchen (lt. Otto)
240 zur Aufnahmeprüfung zugelassen wurden.
Kurz nach dem 29.03.1955 bekamen die Eltern der aufgenommenen Schülerinnen
und Schüler einen Brief in einem blauen Umschlag.
Es war eine
"Portopflichtige Dienstsache", d.h. nur die Berliner-Notopfer-Marke
über 2 Pfennig war aufgeklebt, aber die 20 Pfennig Porto mußten
die Empfänger selbst nachentrichten.
Das hektographierte Aufnahmeschreiben
mit Datum vom 29.3.1955 enthielt alles, was die neuen
ABG-ler für die Aufnahme beachten mußten.
Bei den Zahlen zu den im Jahre 1955 in die erste ABG-Klasse Aufgenommenen
gehen die einzelnen Erinnerungen leider ein wenig auseinander.
Von denen, welche die Aufnahmeprüfung bestanden hatten, tauchte eines
der Mädchen bereits am ersten Schultag gar nicht auf, und einer der Jungen
(Siegurd Theiß) wollte nach der ersten Heimfahrt zu den Eltern nicht mehr
ans ABG zurück. Vielleicht rückten daraufhin andere Schüler(innen)
als Ersatz nach, und schließlich waren wir in der ersten ABG-Klasse
36 Kinder (17 Mädchen und 19 Jungen).
Nur 3 der Schüler(innen) waren
"Externe":
Elfriede R. und Elisabeth wohnten bei ihren Eltern in
Bettringen, Klaus-Dietmar bei seinen Eltern in Schwäbisch
Gmünd.
Zunächst erhielten die "Neuen" am 12.05.1955 ihren ersten
ABG-Schülerausweis.
Gleich nach Schulbeginn erfolgte außerdem der erste Härtetest:
Heimfahrtsperre!
Zur schnelleren Entwöhnung von Mutters Rockzipfel durften die neuen
Heimschüler nämlich während der ersten 3 Wochen
nicht nach Hause zu ihrer Familie fahren.
(Nur die Mädchen, die offenbar herzzerbrechend weinten, bekamen eine
Ausnahmegenehmigung.)
Dieser Härtetest führte allerdings dazu, daß (wie oben bereits
erwähnt) einer der Schüler nach diesen 3 Wochen von seiner ersten
Heimfahrt nicht mehr aus Rechberghausen ans ABG zurückkehrte.
Im Laufe der sechs Schuljahre verließen einige Schüler(innen) die
Klassengemeinschaft,
andere kamen neu hinzu. Nur die Hälfte von uns 36 ursprünglichen
Schüler(inne)n blieb von der ersten bis zur sechsten ABG-Klasse zusammen,
nämlich 8 Mädchen und 10 Jungen, die 1961 mit dem Zentralabitur
(siehe
ein Reifezeugnis
vom 07.03.1961)
abschlossen. Diese 18 sind:
Alfred,
Anna,
Edeltraud,
Edgar,
Elfriede R.,
Else,
Erika,
Ewald,
Gerhard,
Hermine,
Horst,
Ingo,
Klaus,
Magda,
Maria,
Otto,
Walter,
Werner Sch.
.
Von diesen 18 wurden 8 Mädchen und 8 Jungen Pädagogen.
Die Schul-, Verwaltungs- und Wirtschaftsräume des ABGs lagen in der
Franziskanergasse 3, in drei Seiten des annähernd vierseitigen ehemaligen
Franziskanerklosters mit seinem durch wilden Wein bewachsenen Innenhof.
(Die vierte Seite ist die Franziskanerkirche.)
Die Jungen wohnten ebenfalls in der Franziskanergasse 3, wo sie vor allem
vom Heimleiter (Herr Lehrer Ernst Müller) betreut wurden. Auch andere
unserer Lehrer übernahmen öfters die Heimaufsicht; dadurch ergab sich z.T.
ein recht familiäres Verhältnis zwischen uns Schülern und den Lehrern.
Die Mädchen hingegen waren im Kloster St. Loreto, in der Straße Wildeck
Nr. 4 untergebracht, bei (wie der Orden heute heißt) der Genossenschaft der
Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul e.V., Untermarchtal.
Das Kloster war etwa 5 Minuten Fußweg von der Schule entfernt, und die
Mädchen wurden dort von den Lehrerinnen Fräulein Dr. Emma Lanz und
Fräulein (??Sophie oder) Sofie Harms betreut.
Von den Freuden und (vor allem) den Leiden "unserer Mädchen"
vor allem in St. Loreto zeugt ihr gemeinsames anonymes Tagebuch, das man von
der Startseite aus durch Mausklick erreichen kann.
Die Wirtschafterin des ABGs, Fräulein Ruth Holzapfel *), mußte mit geringen
finanziellen Mitteln viele hungrige Mägen und manchmal auch "schleckige Mäuler"
besänftigen, was sicher selbst für eine echte Schwäbin nicht
immer leicht war.
Das ABG besaß nach Erzählungen älterer Schüler einige Feldgrundstücke,
von welchen u.a. der Rabarber stammte, aus dem unser häufig genossenes
Rabarberkompott sowie unsere Rabarbermarmelade hergestellt wurden.
Und das Material aus den offenbar bei den Schülern wenig beliebten Brotanschnitten
wurde gemahlen und zusammen mit Brotteig wieder zu Brötchen gebacken.
Was Wunder, daß wir Jungen es doppelt genossen, wenn eine oft anonyme Spenderin
aus unserer lieben Mädchenschar auf ihre eigene mittägliche
Viertelliter-Milchflasche verzichtete und diese von den Mädchentischen aus
mittels vieler weiterreichender Hände quer durch den ganzen Speisesaal zu
einem glücklichen Auserwählten auf die Reise schickte.
Das ABG-Jahr war von einigen besonderen Ereignissen geprägt.
Ganz wichtig für die ABG-Klassengemeinschaft waren die Klassenabende,
die stets zu recht fröhlichen Erlebnissen wurden.
Nicht zuletzt, weil in der Regel, und zumindest für die
Dauer des Klassenabends, jeweils ein Mädchen und ein Junge ein Paar bildeten.
Die Paarbildung wurde durch Auslosen oder in Spielen geregelt.
Große Vorbereitungen gingen auch dem mehrtägigen Jahresausflug
voraus, der zum großen Teil aus Wanderungen bestand. Vor allem
unter der "Klassenlehrerschaft" von Herrn Kling lernten wir schon
Wochen vorher neue Lieder, die wir dann auf dem Ausflug sangen, wegen des schönen Klangs
in Kirchen oder zum Verscheuchen der Wandermüdigkeit. Übernachtet wurde in
Jugendherbergen oder sogar in Scheunen auf Bauernhöfen, und wenn das Heu oder Stroh
einen nicht schlafen ließ, stieg man um Mitternacht zusammen z.B. auf den Jusi.
In der Vorweihnachtszeit freuten sich alle schon auf das Wichteln. Jeder
bekam als Wichtel einen zu beschenkenden Klassenkameraden (meist vom andern
Geschlecht) zugeteilt, ohne daß der Beschenkte wußte, wer sein Wichtel war.
In die gleiche Zeit fiel das Verbrennen der Adventskränze auf der
Straßdorfer Höhe, und unmittelbar vor dem Beginn der Weihnachtsferien
mußte die in der Aula versammelte Schülerschaft sich das
Weihnachtsoratorium (oder ein anderes entsprechendes großes
Musikwerk) zu Gemüte führen lassen.
Aber es bot jedes Jahr nicht nur die obigen wiederkehrenden Ereignisse:
einige Schuljahre wiesen traditionell spezielle Höhepunkte auf.
In
der vierten Klasse organisierte die Klassengemeinschaft üblicherweise
einen privaten Tanzkurs, der in der Schul-Aula stattfand. Daß dabei sogar ein
eingefleischter Nichttänzer wie unser damaliger Klassenlehrer Herr Kling
mitmachte, zeigt den besonderen Geist des ABGs.
Unser Abschlußball fand im Juli 1959 im Saal des Stadtgartens statt
(siehe Foto).
In der fünften Klasse ging es ins Landschulheim oder (wie wir)
ins Skilager,
in unserem Fall auf eine ganz von uns gemietete Skihütte im Kleinen Walsertal,
unter Begleitung von Herrn Dr. Steck, Herrn Botsch und einer
ABG-"Küchenfee".
Dank dem ABG ist aus uns allen hoffentlich "scho ebbas Rechts"
geworden, mit unverwüstlichen Mägen und durchtrainierten Muskeln,
mit Erfahrung und Ausdauer
beim (strafweisen) Abtrocknen in der Spülküche,
mit Kenntnis von mindestens
Blockflöte und einem "Voll"-Instrument, mit jahrelanger Chor-
und/oder Orchesterpraxis (wahlweise: Latein-AG), mit mindestens Englisch
und Französisch, mit hoher Wandertauglichkeit, umfangreichem Liedgut und mehr
oder minder heimlicher Liebe zum Guten, Wahren und Schönen.
Fußnote:
*) *17.12.1907; +2000 in Waldesruh(?) bei Passau [evtl.: Landhaus
Waldesruh, Vogelkammweg 6, 94518 Spiegelau-Oberkreuzberg]
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